Über Herzenssachen, Tempo und die Pflicht zur Präzision

Foto: RACEPIXX
Mit dem Geschäftsführer und Hobby-Rennfahrer Johannes Bracher auf der Piste
Im Gegensatz zu den in aller Regel ruhenden statischen Bauwerken galt seit jeher meine Leidenschaft den Motorrädern, mit denen auf vielen Reisen und Touren Europa erkundet wurde.
Als freiberuflicher Ingenieur und Vater von 4 Kindern geriet diese Freizeitgestaltung über die Jahre immer mehr in den Hintergrund, bis dann im Jahr 2009 mein Physiotherapeut vom Fahren auf der Rennstrecke schwärmte.
Der Funke sprang gleich über, und ich meldete mich ahnungslos und spontan zu einem mehrtägigen Renntraining in der Tschechei beim fünffachen Motorradweltmeister Toni Mang an. Als ich an die Strecke kam und den Hobbyracern zuschaute, dachte ich nur noch: „Was sind das für Verrückte, mit diesen Wahnsinnigen muss ich morgen früh auf die Strecke, worauf habe ich mich da bloß eingelassen?“
Am nächsten Morgen ging es mit extremer Nervosität (oder nennt man das Angst?) auf die Einführungsrunden, und durch Zufall war in der ersten Runde gleich Toni Mang mein vorausfahrender Instruktor. Das ließ doch hoffen, und ich fand mich schon mal in diesem ungewohnten Umfeld zurecht (kein Gegenverkehr, keine Bremslichter/Rückspiegel, sackschnelle Kurven, überfallartiges Überholen, dichtes Gedränge). Die Nervosität war sofort verflogen und machte einem Schwall Adrenalin Platz, und gerade durch die Tipps der benachbarten Racer war nach einem halben Tag ein Dauergrinsen in meinem Gesicht zu sehen.
Ein Problem zeigte sich auf der physischen Seite: Das scheinbar harmlose Motorradfahren auf der Rennstrecke ist bei entsprechendem Engagement (also hangig-off mit schleifendem Knie in der Kurve, Maximalbremsungen mit abhebendem Hinterrad aus Geschwindigkeiten über 200 km/h, schnelles Umlegen in Wechselkurven) dermaßen anstrengend, dass ich völlig ausgepumpt auf den Geraden nach Luft schnappte und nach 20 Minuten Renntempo schweißüberströmt in das Fahrerlager fuhr.
Und das führte zum positiven Effekt dieser eigentlich nicht empfehlenswerten Freizeitbeschäftigung: Ich habe zu jedem Renntraining ein Ziel, auf das ich mich mit entsprechendem körperlichem Training vorbereite, insbesondere wenn Langstreckenrennen überstanden werden müssen. Und so kommen dann wieder meine Fahrräder und meine Trainingsgeräte im Keller zum Einsatz, immer mit Blick auf Pokale und professionelle Rennfahrer (der im Spiegel zählt natürlich nicht dazu).
Noch etwas zu den anderen Racern: Das sind, entgegen einer landläufigen Vermutung, in der Regel Herren in meinem gesetzten Alter (Frauen und Jugendliche sind weniger vertreten, aber zum Teil fürchterlich schnell), kommen aus allen Berufssparten (da sind sogar Architekten dabei), sind absolut hilfsbereite, lustige und offene Typen, mit denen man gerade beim abendlichen Grillen (Schwein macht schnell..) seinen Spaß und oft auch tiefer gehende Gespräche hat. Und, sie möchten am nächsten Tag wieder fit auf der Rennstrecke sein, es geht absolut gesittet zu, wenig Alkohol und um 23 Uhr herrscht Bettruhe.
Ich möchte mit ein paar Bildern Ihren Blick auf meine Herzenssache richten, einem Sport, der auch oder gerade von einem sicherheitsbewussten Statiker vielleicht nicht immer erwartet wird.
Johannes Bracher